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Schwellungen der Axillartaschen

Was hat es mit diesen seltsamen Beulen hinter den Beinen auf sich, die manchmal bei Leopardgeckos auftreten? Ein Artikel über Mythen und Fakten dieses Phänomens.

Leopardgecko mit geschwollener Axillartasche | Gecko-Onkel
Leopardgecko mit geschwollener Axillartasche | Gecko-Onkel

Was bedeutet es, wenn ein Leopardgecko Beulen hinter den Beinen hat?

Jeder Leopardgeckohalter kennt das Phänomen, dass der ein oder andere Gecko plötzlich Schwellungen in den Achseltaschen bekommt. Diese Beulen sind sehr weich und scheinen mit einer Flüssigkeit gefühlt zu sein. In den meisten Büchern über die Haltung von Leopardgeckos steht, dass die Ursache nicht erforscht ist, es aber gehäuft bei wohlgenährten Tieren auftritt.

Viele Halter haben die Flüssigkeit bereits auf Viren, Bakterien oder Pilze testen lassen, immer mit einem negativem Ergebnis. Im Internet findet man oft Stress oder das Eintreten in die Geschlechtsreife als Erklärungsversuch 1. Am häufigsten wird jedoch behauptet, dass es sich um Einlagerungen von überschüssigem Calcium handelt. Da das Symptom nicht weiter gefährlich ist, und mit der Zeit meist von selbst verschwindet, gibt es bis jetzt keine genaue Klärung der Ursache.

Was könnte die Ursache sein?

Stress und Pubertät kann man nach aktuellem Kenntnisstand ausschließen, da Tiere in jedem Alter und mit den unterschiedlichsten Haltungsparameter betroffen sein können. Infektionen wurden bereits durch Tests ebenfalls als Ursache ausgeschlossen.

Bleibt im Prinzip nur das Calcium. Aber was hat Calcium mit der Tatsache zu tun, dass fast alle betroffenen Tiere etwas zu viel auf den Rippen haben?

Kann Calcium wirklich die Ursache sein?

Nach eigener Erfahrung treten diese Schwellungen nach der Aufnahme von zu viel gehaltvoller Nahrung auf - also zu viele Larven, Maden oder Schaben. Da der Calciumgehalt in diesem Futter eher gering ist, kann das nicht direkt die Ursache sein. Gerade bei Mehlwürmer ist das Calcium-Phosphor-Verhältnis eher ungünstig, da diese 17x mehr Phosphat wie Calcium enthalten 2.

Kann ein Überschuss an Phosphor die Ursache sein?

Phosphor (bzw. Phosphat) bildet zusammen mit Calcium ein konstantes Verhältnis im Körper. Das heißt die Konzentration beider Stoffe wird vom Körper reguliert, um dieses Gleichgewicht 3 aufrechtzuerhalten. Verantwortlich für diesen Calcium- Phosphathaushalt ist ein komplexes Zusammenspiel aus verschiedenen Hormonen. Die wichtigsten sind hierbei: Parathormon (PTH) aus der Nebenschilddrüse und Calcitriol aus der Niere.

Auf eine sogenannte Hyperphosphatämie 4 regiert der Körper mit folgenden Maßnahmen:

  • Mobilisierung von Calcium aus dem Knochengerüst. Dabei wird auch in den Knochen eingelagertes Phosphat freigesetzt.
  • die Niere filtert mehr Phosphat und scheidet dieses über den Urin aus
  • gleichzeitig sorgt die Niere dafür, dass mehr Calcium im Körper zurückbleibt
  • der Darm wird angeregt mehr Calcium aufzunehmen
  • des Weiteren werden Mechanismen im Körper aktiviert, welche den genannten Maßnahmen wieder entgegenwirken. Durch diese Rückkopplung wird sichergestellt, dass sich die Konzentration beider Stoff wieder senkt.

Steigt also der Phosphorspiegel, steigt auch der Calciumspiegel um das Gleichgewicht wiederherzustellen. Im Normalfall wird die Konzentration der Stoffe wieder gesenkt, indem der Knochenbau gefördert wird.

Wird der Spiegel beider Stoffe nicht ausreichend wieder nach unten reguliert, kann dieser Zustand möglicherweise zur Bildung von Calciumpyrophosphat-Kristallen (Calciumpyrophosphat-Dihydrat, CPPD) führen. Beim Menschen können Calciumpyrophosphat-Kristalle eine sogenannte Pseudogicht 5 auslösen, deren Symptome Gelenkschmerzen, Entzündungen der Gelenke und auch Schwellungen sein können.

Kann eine Pseudogicht die Ursache sein?

Um diese Hypothese zu verifizieren, wurde die Flüssigkeit aus den Axillartaschen auf Kristalle untersuchen. Nach Entnahme der Flüssigkeit, und trennen der Bestandteile in einer Zentrifuge, konnten unter dem Mikroskop jedoch keine Kristalle gefunden werden. Nur vereinzelte rote Blutkörperchen (ERY) wurde entdeckt, was vermutlich durch das Punktieren in die Flüssigkeit gelangt ist. Eine Pseudogicht kann man also ausschließen.

Untersuchungen

Um der Ursache weiter auf den Grund zu gehen, wurde nun die Flüssigkeit selbst untersucht. Die Flüssigkeit aus den Axillartaschen war glasklar. Es handelte sich aber nicht um reines Wasser, da Flüssigkeit etwas schmierig erschien und beim antrocknen sehr klebrig wurde.

Nachweis von Calcium

Da mikroskopisch keine Calciumpyrophosphat-Kristalle gefunden wurden, wurde die Flüssigkeit mittels Teststreifen auf deren Zusammensetzung untersucht. Die Genauigkeit der Teststreifen ist nicht sonderlich gut, reicht aber im direkten Vergleich mit anderen Flüssigkeiten um Rückschlüsse auf die Konzentration zu ziehen.

Hier das Ergebnis des Calciumnachweises:

Ergebnisse des Calciumnachweises
Ergebnisse des Calciumnachweises | Gecko-Onkel
  1. Probe eines Geckos
  2. selbe Probe zum validieren der Genauigkeit des Tests
  3. Leitungswasser (kalt)
  4. destilliertes Wasser

Wie man sieht, ist die Blaufärbung der Teststreifen 1 & 2 quasi identisch, der Test ist somit aussagekräftig. Teststreifen 3 zeigt eine deutliche Violett-Färbung. Referenzteststreifen 4 hat sich hingegen ins Türkise verfärbt.

Daraus lässt sich schließen, dass destilliertes Wasser - wie zu erwarten - kein Calcium enthält. In der Flüssigkeit der Axillartaschen ist Calcium enthalten, jedoch ist die Calciumkonzentration im Leitungswasser noch höher.

ph-Wert Ermittlung

Da noch etwas Flüssigkeit übrig war, wurde gleich noch versucht den ph-Wert zu bestimmen - ebenfalls mittels Teststreifen.

Hier das Ergebnis der ph-Wert Ermittlung:

Ergebnisse der ph-Wert Ermittlung
Ergebnisse der ph-Wert Ermittlung | Gecko-Onkel

Wie man auch hier sieht, ist die kräftige Magenta-Färbung der Teststreifen 1 & 2 quasi identisch, der Test ist somit aussagekräftig. Teststreifen 4 mit dem destillierten Wasser, hat einen niedrigen ph-Wert. Teststreifen 3 mit Leitungswasser ist ph-Neutral, bzw. leicht alkalisch. Teststreifen 1 & 2 hingegen zeigen einen deutlich höheren ph-Wert an. Eine exakte Bestimmung des ph-Wertes ist mit der Farbskala der Teststreifen leider nicht möglich. Der Wert müsste jedoch deutlich über 8,4 liegen.

Ein Nachweis von Phosphor bzw. Phosphat, war mangels Teststreifen nicht möglich.

Fazit

Calcium ist in den Axillartaschen nachweislich vorhanden. Allerdings in einer Konzentration die geringer ist, als die des Wassers, dass die Tiere trinken. Man kann nun daran zweifeln, dass ein Tier einen Stoff einlagert, in einer geringeren Konzentration, als die in der es den Stoff täglich aufnimmt - ganz ausschließen kann man es aber wahrscheinlich nicht.

Eine Pseudogicht, ausgelöst durch zu viel Phosphor im Futter, kann mangels nachgewiesener Calciumpyrophosphat-Kristalle auch ausgeschlossen werden.

Weiterhin spricht gegen die Calcium-Theorie, dass bei den meisten Geckoarten Calcium in Drüsen im Bereich des Kopfes oder des Nackens eingelagert wird. Diese Einlagerung dient als Vorrat während der Fortpflanzungsphase zur Bildung von Eiern. Männchen haben daher keinen Bedarf viel Calcium zu speichern. Da bei Leopardgeckos auch Männchen von großen Axillarschwellungen betroffen sein können und die Position der Schwellungen in den Achseln untypisch ist, scheint dies ein weiterer Aspekt zu sein der gegen diese Theorie spricht.

Weitere Hypothesen

Viel wahrscheinlicher als Calciumeinlagerungen sind jedoch Neben- bzw. Abfallprodukte des Stoffwechsels. Darauf deutet hin, dass fettreiche Nahrung förderlich ist und übergewichtige Tiere besonders häufig das Symptom zeigen. Außerdem gibt es noch einen jahreszeitlichen Aspekt, den man berücksichtigen sollte. Vor einer anstehenden Winterruhe ist die Wahrscheinlichkeit für diese Schwellungen größer als im Rest des Jahres. In dieser Zeit ändert sich der Stoffwechsel der Tiere, um Energie für den Winter in Form von Fett einzulagern. Jungtiere erleiden dagegen eher selten an diesen Schwellungen, da die Tiere viel Energie für ihr Wachstum benötigen.

Lymphe

Lymphe wird vom Körper gebildet um abgestorbene Zellen, Eiweiß- und Fremdkörper, Bakterien, Fette und Stoffwechselendprodukte abzuleiten. Da Leopardgeckos, wie alle Reptilien, über keine Lymphknoten verfügen liegt daher die Vermutung nahe, dass es sich bei der Flüssigkeit in den Axillartaschen um Lymphflüssigkeit handelt. Diese Hypothese bedarf aber noch weiterer Untersuchungen.

Behandlung

Betroffenen Tieren kann mit einer strikten Diät geholfen werden. Reduziert man die Futtermenge und verzichtet auf gehaltvolles Futter verschwinden die Schwellungen innerhalb weniger Tage/Wochen. Schwellungen, die vor der Winterruhe auftreten, verschwinden meistens erst wieder im Frühling, wenn die Tiere ihren Stoffwechsel wieder hochfahren. Sollten die Schwellungen nicht von selbst zurückgehen oder das Tier in der Bewegung massiv beeinträchtigt sein, sollte ein sachkundiger Tierarzt aufgesucht werden.

Aussichten

Die genaue Ursache der geschwollenen Axillartaschen ist weiterhin unklar.

  • Weitere Tests der Flüssigkeit:
    • z.B. mittels Polarisationsmikroskopie
    • Probe auf Lymphe testen
  • Beobachtungen unter kontrollierten Haltungsbedingen sind nötig

Quellen